Musikalisches Stephanienbad: Byrd, Kodály, Pizetti, Eben
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Autor:
KIT Kammerchor
- Datum: 04.02.2007
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Ort: Paul-Gerhardt-Kirche Karlsruhe
Mitwirkende
Kammerchor der Universität Karlsruhe
Sopran: Barbara Rohrhuber, Bettina Meyer-Hamme, Frauke Harms, Gabriele Schreitmüller, Manuela Henninger, Ulrike Kerssebaum, Ute Friederike Schlee
Alt: Anja Sommer, Claudia Querfeld, Eycke Enders, Miriam Eichler, Ruth Hunger, Ulrike Schmid,
Tenor: Helmuth Elsener, Lars Jacobs, Paul Legeland, Sylvestre Andre, Thomas Kiefer
Bass: Boris-Alexander Bolles, Gerhard Benitz, Jörg Stickel, Martin Hermatschweiler, Matthias Burghardt, Tobias Wieczorek
Leitung: Nikolaus Indlekofer
Programm
Aus dem Programmheft:
Zum Programm
Über die Herkunft und die Ausbildung von William Byrd haben wir heute keine gesicherten Quellen. Belegt ist, dass er im Jahr 1563 im Alter von zwanzig Jahren Organist in Lincoln wurde und sieben Jahre später die Berufung zum „Gentleman der Chapel Royal" erhielt. Er versah gemeinsam mit Thomas Tallis den Organistendienst an der königlichen Kapelle. Byrd erhielt 1575 von Königin Elisabeth I. zusammen mit Tallis das Patent, ausschließlich jeder Konkurrenz, Musiknoten zu drucken und zu verkaufen. Als überzeugter Katholik in der Ära der Reformation in England hatte Byrd immer wieder mit Anfeindungen zu leben. Es gehörte schon eine gewisse Portion Mut dazu, lateinische katholische Kirchenmusik zu schreiben. Von Byrd sind uns neben zahlreichen lateinischen Motetten drei Messvertonungen überliefert. Die erste davon, für vier Stimmen, entstand wahrscheinlich etwa 1592 und diente als Vorbild für die nachfolgenden Werke, in denen er die kontrapunktische Arbeit auf den drei- bzw. fünfstimmigen Satz übertrug. Sein Kompositionsstil ist äußerst dicht und verzichtet im Gegensatz zu der italienischen Praxis fast gänzlich auf homophone Partien in den wortreichen Teilen Gloria und Credo. Es entsteht ein Gewebe, das durch innere Verwandtschaft der Themen eine große Geschlossenheit, gleichzeitig aber auch durch intensiven Textbezug eine starke Ausdruckskraft entwickelt.
In dem heutigen Konzert bildet die Messe den Rahmen für das gesamte Programm. Im ersten Teil ertönen zwischen Gloria und Credo sechs Motetten von Heinrich von Herzogenberg.
Der in Graz geborene Komponist studierte am Konservatorium in Wien und wurde 1885 selbst Professor für Komposition an der Berliner Hochschule für Musik. Gemeinsam mit seiner Frau, der Pianistin Elisabeth von Herzogenberg, verband ihn eine enge künstlerische und persönliche Freundschaft mit Johannes Brahms. Seine Werke - immerhin 2 Sinfonien, zahlreiche Kammermusik und viele Werke für Chor und Orchester - sind aber heute fast alle in Vergessenheit geraten. Seine Motetten zeichnen sich durch sehr starke Klanglichkeit, reizvolle harmonische Wendungen und klare satztechnische Kunstfertigkeit aus.
Der zweite Teil des Konzertes wird mit Kompositionen des 20. Jahrhunderts eröffnet.
Petr Eben, der 1929 in Zamberk in Tschechien geborene Komponist, komponiert den alten marianischen Hymnus „Salve Regina" in sehr bewegter und expressiver Weise. Der eher meditative Text erfährt hier eine sehr persönliche Ausdeutung. Bemerkenswert ist die fast stürmische Begrüßung der „Königin des Himmels", welche in der Komposition an mehreren Stellen durchbricht.
Ildebrando Pizzetti wurde 1880 in Parma geboren und besuchte in seiner Heimatstadt das Konservatorium. Er arbeitete als Dirigent und Kompositionslehrer. So wurde er 1907 Dozent für Kontrapunkt in Florenz, 1924 Direktor des Mailänder Konservatoriums und 1948 Präsident der „Accademia di Santa Cecilia" in Rom. Seine A-cappella-Kompositionen sind geprägt durch Studien der Vokalmusik von Monteverdi und Gesualdo. Man spricht bei der Verschmelzung von klassischem Kontrapunkt mit den klanglichen Mitteln des 20. Jahrhunderts von italienischem Neomadrigalismus". Den Text für das Chorwerk „Ululate" stellte Pizzetti selbst aus verschiedenen Stellen des Buches Jesaja zusammen. Durch extreme melodische Stimmführung und herber, von vielen Vorhaltsdissonanzen durchsetzter Harmonik, gelingt ihm ein äußerst bewegendes und ergreifendes Meisterwerk.
Das „Agnus Dei" von Samuel Barber ist eine Bearbeitung des Komponisten seines Adagios für Streicher op. 11 aus dem Jahr 1931. Es war ursprünglich als Satz eines Streichquartettes geplant, blieb aber wegen seiner künstlerischen Geschlossenheit als selbständiges Werk belassen. Durch die Übertragung des Instrumentalstücks auf die menschliche Stimme erreicht Barber in der ohnehin sehr emotionalen Musik noch eine Steigerung des individuellen Ausdrucks.
Zoltán Kodály darf sicher zu den bedeutendsten ungarischen Komponisten des 20. Jahrhunderts gerechnet werden. Seiner Motette „Jézus és a kufárok" (Jesus und die Krämer) liegt die Textstelle Kap 2, Vers 13 aus dem Johannesevangelium zugrunde. Wegen der sehr bildhaften Übersetzung des Inhaltes in Musik haben wir uns entschlossen, das Werk in der vom Komponisten autorisierten deutschen Übersetzung zu singen. Gegenüber der klanglich schöneren Version in der Originalsprache ist es so direkter möglich, die Dramatik der Szene im Jerusalemer Tempel zu erleben. Kodály beschreibt mit großer Meisterschaft die Details, wie die umherkullernden Münzen der Geldwechsler, denen Jesus die Tische umgeworfen hat, oder wie die Anklage, dass im Haus des Gebetes ein gottloses Geschäft um sich gegriffen hat.
Mit den beiden Schlusssätzen der Messe „Sanctus" und „Agnus Dei" schließt sich der Rahmen dieses Konzertes. Die Messen von Byrd sind allesamt für den Gebrauch im Gottesdienst komponiert, d.h. die einzelnen Sätze wurden, wie im heutigen Konzert, nicht direkt hintereinander gesungen. Durch die Mischung der Stücke wird erlebbar, wie die Sprache der Musik sich über die Jahrhunderte verändert, wie sie sich auch in verschiedenen Ländern unterschiedlich entwickelt, aber doch bei ihrem Erklingen direkt in die Herzen der Musizierenden und der Zuhörenden gelangen kann.
N.I.